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Beitrag vom 23.03.2006
Das Leben der Anderen
Constanze Geißler
In seinem Regiedebüt hat sich F.H. von Donnersmarck mit dem Leben im Überwachungsstaat DDR auseinandergesetzt. Er offenbart die Stasi-Maschinerie und die Ideale der GegnerInnen
"Alle Achtung!" Eine Beamtin bringt Georg Dreyman (Sebastian Koch) seine Stasi-Unterlagen an den Platz. Knapp ein Dutzend. Die Lesenden um ihn herum haben 2, maximal 4, Unterlagen vor sich liegen. Georg Dreyman blickt im Leseraum der "Runden Ecke" in Leipzig auf seine ostdeutsche Vergangenheit zurück. Dort werden nach der Wende 10 laufende Kilometer Stasi-Akten zur Einsicht aufbewahrt.
Dreyman war ein idealistischer Dramatiker, auf den die DDR viel hielt. Er glaubte an die Botschaft, die er auf der Theaterbühne zur Erziehung des besseren "sozialistischen Menschen" inszenierte. Nur allzu schwer ließ sich Dreyman davon überzeugen, dass die Ideale, die er vertrat, am allerwenigsten in seinem Heimatland DDR umzusetzen waren.
Beständig verpflichtete das Ministerium für Staatssicherheit BürgerInnen der DDR als inoffizielle und offizielle MitarbeiterInnen. Sie sollten Protokoll führen über NachbarInnen, FreundInnen, EhepartnerInnen, ArbeitskollegInnen. Ein dichtes Netz an Repressionen, Spionage und Verleumdungen lag über dem Land. Wer tat was? Wer kannte wen? Akribisch wurden Akten geführt. Es war ein paranoides Unternehmen, das dem DDR-Diktaturregime die Machtausübung garantierte.
Ersonnen hatte die Stasi psychologisch perfekt ausgefeilte Methoden, um das Leben ihrer Opfer zu vernichten. An diese Fakten knüpft der westdeutsche Regisseur und Drehbuchautor Florian Henckel von Donnersmarck in "Das Leben der Anderen" an. Während seiner 4-jährigen Recherche und Konzeption für den Kinofilm ist es ihm gelungen, die Atmosphäre des Misstrauens, der heimlichen Gedanken und sozialen Isolation hervorragend darzustellen - jenseits aller Komikinszenierung, die bisher die Rückbesinnung auf die DDR unterliefen
Der Staatsfeind muss "zersetzt" werden, heißt es in der damaligen Beamtensprache. Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) ist vorbildhaft in diesem Unterfangen. Konzentriert weist er seine StudentInnen an der Stasi-Hochschule Potsdam in perfide reflektierte, psychologische Kenntnisse ein, die für suggestive Verhörmethoden in den DDR-Gefängnissen benutzt werden. Er hat die Maximen der Geheimpolizei verinnerlicht, jede linienuntreue Bemerkung oder Handlung wird vermerkt.
Aus anderem Holz dagegen ist Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Turkur) geschnitzt, der selbstgefällig an einer emporstrebenden Karriere arbeitet. Mit der Zigarre in der Hand, erscheint er als "Mann von Welt" - jede Aufgabe für ihn ist lösbar.
Großzügig blickt Grubitz über die manipulativen Absichten seines Vorgesetzten, Minister Hempf, hinweg. Dieser nutzt seinen Job für die Sättigung seiner männlichen Gelüste aus. Objekt seiner Begierde ist die Schauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck). Sie ist die Freundin Georg Dreymans. Der Oberstleutnant beauftragt den pflichtbewussten Gerd Wiesler in einem "operativen Vorgang", den Theaterregisseur zu bespitzeln - um sich seinem Leben "annehmen" zu können. Doch der Hauptmann kann den überzeugten Stasi-Mann in sich nicht aufrecht erhalten. Zu stark ist der Einfluss, den die Abhörung auf ihn ausübt. Zum ersten Mal bekommt er durch Dreyman und sein Umfeld wahre menschliche Werte vermittelt, die in seinem bisherigen Leben fehlen. Präzise fängt die Kamera das trostlose Bild seiner Neubauwohnung ein - ein Spiegel seines bisherigen Lebens.
"Das Leben der Anderen" ist kein Spielfilm, der auf dokumentarische Weise die Praktiken der Stasi durchleuchtet. Er hat sich ganz dem Genre des Dramas verschrieben. Das zu Recht! Denn was der DDR-Überwachungsstaat tat, war in die Schicksale seiner BürgerInnen einzudringen und diese für die eigenen Vorteile zu missbrauchen. Der Film hält immer die Glaubwürdigkeit und vermittelt überzeugend die einzelnen Menschenschicksale.
Am Ende des Filmes steht die schriftstellerische Geste Georg Dreymans, wenn er durch die Literatur hindurch demjenigen Mann dankt, der sein Leben beschützte.
AVIVA-Tipp: "Das Leben der Anderen" ist der erste cinematographische Schritt, die DDR-Vergangenheit mit Ernsthaftigkeit ins kollektive Gedächtnis zurückzurufen. Ein deutscher Film der Spitzenklasse - angefangen bei der Kameraführung, der Musik bis hin zur Regie und den SchauspielerInnen natürlich.
Grandios ist auch Paul Hauser in der Nebenrolle des Hans-Uwe Bauer, ein enger Freund und Verbündeter von Georg Dreyman. Ihm sitzt der Schalk im Nacken. Dabei ist er derjenige, der am offensivsten seine Verachtung bis zum Selbstmord des Regisseurs Jaskas gegen das Diktaturregime postuliert.
Das Leben der Anderen
Regie und Drehbuch: Florian Henckel von Donnersmarck
DarstellerInnen: Martina Gedeck, Ulrich Mühe, Sebastian Koch, Ulrich Turkur, Thomas Thieme, Hans-Uwe Bauer, Volkmar Kleinert
Kinostart: 23.03.2006
www.das-leben-der-anderen.de
Das Filmbuch zu "Das Leben der Anderen" ist im Suhrkamp Verlag erschienen. Es enthält das Originaldrehbuch mit zahlreichen Abbildungen und vielen Hintergrundtexten, zu den Dreharbeiten und zur Künstlerszene der DDR.
Das Leben der Anderen
Florian Henkel von Donnersmarck
Suhrkamp Verlag, erschienen im März 2006
ISBN 3518457861
219 Seiten, kartoniert
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